30.12.2024
Innung Nordost: Parkettleger zeigen klare Kante
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Die schwache Wirtschaft befeuert den schon länger schwelenden Unmut des Handwerks. Auf der Mitgliederversammlung 2024 der
Innung Nordost erlebten rund 140 Teilnehmer einen entsprechend lebhaften Schlagabtausch zum gesellschaftlichen Stellenwert und zur fehlenden Sichtbarkeit des Handwerks in der Politik. Deutlich wurde, dass die Innungsgemeinschaft gerade in schwierigen Tagen zusammenstehen und ihre Kräfte bündeln will. Als besonderen Gast begrüßte Obermeister Holger Wiehle den ZDH-Präsidenten Jörg Dittrich.
Das Treffen der Innung Nordost in Wernigerode war angesichts der anhaltenden Baukrise bestimmt von vielfältigen Unwägbarkeiten: Auftragsflaute, Fachkräftemangel, Ausbildungsdefizite, überbordende Bürokratie, fehlender Rückhalt bei Gesetzesvorhaben und insgesamt gestiegene Kostenbelastungen machen dem bodenlegenden Handwerk das Leben zunehmend schwer. Besonders hart trifft es die Fachbetriebe in strukturschwachen Regionen, in denen manche Parkettleger in den ersten fünf Monaten dieses Jahres keine Aufträge geschrieben haben, hörte man aus Vorstandskreisen der landesweit größten Parkettgemeinschaft, die die Innungen Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern vereint. Angesichts des enormen Preisdrucks bei Ausschreibungen rückt in diesem Szenario auch wieder der Wettbewerb durch Solo-Selbstständige in unbeflaggten Vans vehementer in die Kritik.
Zur Mitgliederversammlung kamen dennoch 84 der aktuell 144 ordentlichen Mitglieder sowie 58 Vertreter der derzeit insgesamt 65 Fördermitglieder aus der Industrie zusammen. Obermeister Holger Wiehle stimmte sie angesichts der unter den Nägeln brennenden Entwicklungen auf zwei Tage intensiven Austauschs und mutmachender Gemeinschaft ein. „Das Handwerk hat in unserer Gesellschaft einen besonderen Stellenwert – und wir sollten und dürfen erhobenem Hauptes für uns in der Gemeinschaft einstehen. Und wir sollten mit unserer Kraft – der Wirtschaftsmacht von nebenan – richtig umgehen können, auch auf politischer Ebene“, appellierte der Berliner Parkettlegermeister an seine Kollegen.
Gleichzeitig unterstreiche der Fachkräftemangel die Bedeutung qualifizierter Ausbildung und beruflicher Weiterbildung als einen entscheidenden Schlüssel für den beruflichen Aufstieg. „Wir werden jede Möglichkeit nutzen, gegenüber der Regional- und Bundespolitik unsere Nöte zu benennen und für unser Gewerk einzustehen.“ Im Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik (BVPF) ist der Vorstand auf vielen Ebenen aktiv und sowohl bundesweit als auch auf europäischer Ebene sichtbarer denn je und in gutem Austausch mit den verschiedenen Akteuren der übergeordneten Dachorganisationen, berichtet der stellvertretende Bundesinnungsmeister.
Obermeister im Austausch zur aktuellen Situation in den Innungen
Zudem stünden die Obermeister der Regionalinnungen zur Förderung der Gemeinschaft in engem Austausch. In Wernigerode war das erlebbar: Für eine aktuelle Podiumsrunde zur derzeit schwierigen Situation im Parkettlegerhandwerk – und wie man dem begegnen kann – waren Dominik Kison (Koblenz-Trier), Christoph Skaletzka (Baden-Württemberg), Thomas Allmendinger (Baden-Württemberg) und Kay Peter Hansen (Hessen) in den Harz gekommen.
Den seiner Meinung nach zu geringen gesellschaftlichen Stellenwert des Handwerks bemängelte eingangs Dominik Kison: „Ein Beruf im Handwerk ist heute für wenige Jugendliche die erste Wahl, obwohl wir einen tollen Beruf mit guten Perspektiven haben.“ Die Qualität und den Mehrwert der Innungen besser herauszustellen, hätte mit der Wiedereinführung der Meisterpflicht eigentlich leichter werden sollen, sagte Christoph Skaletzka. Tatsächlich kämpfe man jedoch nach wie vor um die Gunst der Jugend. Ebenso wie mit nicht zugelassenen Gewerbetreibenden auf den Baustellen: „Wir haben eine Meisterpflicht für unser Gewerk und müssen sie durchsetzen“, forderte Kay Peter Hansen. In Hessen werde die Unterlassung nach dem sogenannten „Regensburger Modell“ praktiziert. „Wir haben voriges Jahr 38 Betriebe stillgelegt – das funktioniert, auch wenn die Handwerkskammern nur bedingt kooperativ sind“, berichtete Hansen. Außerdem appelliert der Obermeister dafür, das Profil der Innungen zu schärfen und dies auch deutlich sichtbar nach außen zu tragen. „Ohne das Handwerk läuft in Deutschland nichts.“
„Wir haben in Baden-Württemberg ganz klar unsere Eigenständigkeit in den Vordergrund gestellt“, betonte in diesem Kontext Christoph Skaletzka. „Wir haben als Innung ein Standing in unserer Region und wollen auf unsere Rechte und Pflichten auch bestehen.“ Die hochwertige Ausbildung in bundesweit fünf Berufsschuleinrichtungen ist für den Obermeister ein überzeugendes zukunftsweisendes Konzept für das Parkettlegerhandwerk. Auch Thomas Allmendinger rät dazu, sich in den Innungen auf die vorhandenen Möglichkeiten und auf ihre Verjüngung zu konzentrieren: „Die Innungen bieten Information und Vernetzung. Diese Mehrwerte findet man sonst nirgends – und das müssen wir transportieren.“ Domik Kison bekräftigte, dass man in Koblenz-Trier viel ausprobiere, um der Innung neues Leben einzuhauchen. Auch Fusion sei in seiner Region ein Thema. „Wir müssen uns zusammenschließen, um unsere Kräfte in der Gemeinschaft zu bündeln“, lautet die Forderung, für die er große Zustimmung erhielt.
Und dann praktizierte die Innung Nordost in Wernigerode die geforderte Integration der jungen Generation: Auf der Bühne schilderte die Handwerksjugend ihre Sicht der Dinge – vertreten durch Franz Dybeck (Meisteranwärter), Maximilian Müller (Landessieger Parkettleger), Tobias Winzer (Jungmeister) und Simon Spitzer (Parkettleger-Azubi). Einig sind sich die vier in ihrer Erwartung an die Innungen, dass sie sich mehr Gehör wünschen und die Möglichkeit, eigene Ideen in die Gemeinschaft einzubringen. „Wir Jungen wollen auf Augenhöhe sein und dass mehr miteinander kommuniziert wird“, brachte Franz Dybeck ihr Vorstellung von Gemeinschaft auf den Punkt.
„Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit muss wieder gesichert werden“
Kürzlich trat der Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik (BVPF) dem Unternehmerverband des Deutschen Handwerks (UDH) wieder bei; jetzt folgte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), der Einladung zur Mitgliederversammlung der Innung Nordost. „Aus einem Handwerksbetrieb zu kommen, ist mir persönlich als Basis sehr wichtig“, betonte der Dachdeckermeister, Bauingenieur und Holzsachverständige, bevor er auf die wirtschaftliche Lage zu sprechen kam. Deutschland sei noch immer die drittgrößte Wirtschaftsnation, deshalb müsse man nicht alles schlechtreden, sagte er, doch wo das Land im Ranking abrutsche – bei Wachstum, Innovationsfähigkeit und Bildung – müsse etwas getan werden. „Es muss nicht alles anders werden, es muss nur das Richtige gestärkt werden.“ Etwa die Wahrnehmung des Handwerks – und dafür komme es darauf an, mit einer Stimme zu sprechen. In Berlin gehört der ZDH zu den vier Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, der sich für die Interessen von 1 Mio. Handwerksbetriebe mit rund 5,6 Mio. Beschäftigten einsetze.
Mit Blick auf die in mehrfacher Hinsicht politischen Ungewissheiten der kommenden Monate forderte Dittrich: „Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts muss wieder gesichert werden“. Besonders beim Bürokratieabbau gelte es dranzubleiben – Stichworte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und Entwaldungsverordnung. Angesprochen auf die gerade verabschiedete novellierte Gefahrstoffberordnung, die Handwerksbetriebe im Umgang mit Asbest in der Gebäudesanierung in die Nachweispflicht nimmt, äußerte der Verbandspräsident: „Wir müssen versuchen, dort wieder Anlauf zu nehmen.“ Generell seien Veränderungen dahingehend notwendig, dass nicht über die Köpfe der Menschen hinweg Beschlüsse gefasst würden. Mögen diese hehren Worte politisches Gehör finden, dürfte es in Wernigerode dem einen oder anderen Parkettleger durch den Kopf gegangen sein.
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Rund 140 Teilnehmer auf der Mitgliederversammung der Innung Nordost – die landesweit größte Parkettgemeinschaft vereint die Innungen Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.
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Obermeister Holger Wiehle: „Wir sollten mit unserer Kraft – der Wirtschaftsmacht von nebenan – richtig umgehen können, auch auf politischer Ebene.“
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Befreundete Innungen im Austausch (von links): Christoph Skaletzka (Baden-Württemberg), Dominik Kison (Koblenz-Trier), Thomas Allmendinger (Baden-Württemberg), Kay Peter Hansen (Hessen) und Holger Wiehle (Nordost).
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Auch die Jungen wünschen sich Gehör (von links): Franz Dybeck, Maximilian Müller, Tobias Winzer und Simon Spitzer im Gespräch mit Robert Mutschall, stellvertretender Obermeister der Innung Nordost.
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Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), stand den Parkettlegern Rede und Antwort.
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Verleihung der „Wilhelm-Schmidt-Medaille“ für das Lebenswerk: Gerd Zellhuber, Joachim Barth und Bernhard Assing (in Abwesenheit) wurden für ihr besonderes ehrenamtliches Engagement und maßgebliches Wirken für das Parkettlegerhandwerk über Generationen hinweg geehrt.
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Einer der ersten Titelträger des „Master Professional Parkettrestaurator“: Martin Hopsch aus Berlin mit Obermeister Holger Wiehle.
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Jungmeister auf der Bühne (von links): Christian Grützmacher, Aykut Ötztürk , Tom Knauer, Roy Liebenow, Hannes Wondrak
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32 Stände von Fördermitgliedern gaben dem Auditorium einen lebendigen Rahmen.