11.03.2022
Ukraine-Krieg trifft Bodenbranche hart
Der kriegerische Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat weitreichende Folgen für die Bodenbranche in Deutschland. Die großen Verbände des Baugewerbes rechnen mit deutlichen Preissteigerungen und sich verschärfenden Lieferengpässen bei der Rohstoffversorgung. Es gibt hierzulande aber auch große Zeichen der Solidarität mit dem Not leidenden ukrainischen Volk.
Die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine treffen die deutsche Bauwirtschaft mit großer Härte, berichten Branchenverbände übereinstimmend. „Aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und der weltweiten Sanktionen gegen Russland kommt es jetzt zu massiven Lieferengpässen und deutlichen Preissteigerungen bei vielen Baustoffen“, teilte etwa der Landesverband Bayerischer Bauinnungen Anfang März 2022 mit. „Die aktuelle Destabilisierung der Rohstoffkosten betrifft nahezu jedes Bauvorhaben. Wir appellieren an öffentliche und gewerbliche Bauherren, in dieser sehr schwierigen Situation, die noch viele Monate andauern wird, mit den Bauunternehmen zu kooperieren, um die Bautätigkeit in Bayern zu sichern“, betonte der Hauptgeschäftsführer des Landesverbands, Andreas Demharter. Laufende Verträge müssen individuell angepasst werden. Neue Verträge müssen die extreme Unsicherheit bei den Baustoffpreisen unbürokratisch und kooperativ berücksichtigen.
Und der Hauptgeschäftsführer des
Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), Felix Pakleppa, betonte: „Die deutschen und europäischen Sanktionen gegen Russland sind richtig und werden von der deutschen Bauwirtschaft nachdrücklich unterstützt. Die Sanktionen führen aber auch zu Belastungen der heimischen Bauwirtschaft, die getragen werden müssen.“ Die Folgen des russischen Krieges auf die Bautätigkeit in Deutschland werden von Tag zu Tag sichtbarer. „Es ist daher ein Gebot der Vernunft, die negativen Auswirkungen auf heimische Betriebe und Arbeitsplätze so gering wie möglich zu halten“, sagte Pakleppa.
Bauunternehmen erhalten oft keine Lieferzusagen mehr
Auch der ZDB-Hauptgeschäftsführer sprach von drohenden Lieferengpässen und deutlichen Preissteigerungen bei vielen Baustoffen. Unternehmen berichten, dass sie für Bauanfragen nur noch tagesaktuelle Preise und oftmals keine Lieferzusagen mehr bekommen. Hinzu kommen die steigenden Kraftstoffpreise, die gerade für die überregional tätigen Unternehmen zu einer besonderen Kostenbelastung werden. Die Bauwirtschaft als transportintensivste Branche sei besonders von den Preissteigerungen bei Kraftstoffen betroffen, sagte Pakleppa. Auch auf Lieferengpässe, die z. B. aufgrund fehlender ukrainischer Lkw-Fahrer entstehen, haben die Unternehmen keinen Einfluss.
„Vor dem Hintergrund dieser Situation brauchen wir unbürokratische Maßnahmen zur Sicherung der Bautätigkeit in Deutschland.“ Notwendig sei daher die sofortige Einführung von Stoffpreisgleitklauseln, auch für laufende Verträge, um wichtige Bauaufgaben fortführen zu können. „Wir brauchen daher schnell vertragsspezifische Lösungen, um der aktuellen Destabilisierung durch die Rohstoffkosten entgegen zu wirken. Schlussendlich müssen wir uns aber, wie bei Gas, von der Abhängigkeit von wenigen Anbietern befreien. Dies muss dringend in einer nationalen Rohstoffstrategie münden“, forderte Pakleppa. Er schlug einen Runden Tisch vor, an dem Vertreter der Bauwirtschaft und der Bundesregierung beraten sollen, wie man die Auswirkungen dieser Krise minimieren könne. „Ansonsten bleiben die großen Bauvorhaben der Regierung auf der Strecke,“ erklärte der ZDB-Hauptgeschäftsführer abschließend.
Russland darf Euroskills 2023 nicht ausrichten: Polen übernimmt
Von den Sanktionen, die Pakleppa erwähnte, sind auch die jungen Fachkräfte aus Russland betroffen. Eigentlich hätte die nächste Europameisterschaft der Berufe im Jahr 2023 im russischen Sankt Petersburg stattfinden sollen. Doch aufgrund des Krieges in der Ukraine hat der Dachverband Worldskills Europe dem Land die
Austragung entzogen. Zudem schloss Worldskills International Russland und seinen Bündnispartner Belarus von der Teilnahme an der kommenden Weltmeisterschaft der Berufe, den Worldskills 2022 im chinesischen Shanghai, aus.
Die
deutsche Berufe-Nationalmannschaft hatte bereits kurz nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine Position bezogen und ihre Teilnahme an den Euroskills 2023 in Sankt Petersburg ausgesetzt. Zudem stellte sie alle Projekte und Kooperationen mit Russland und Belarus unverzüglich ein. Wie die Pressestelle der deutschen Berufe-Nationalmannschaft auf Nachfrage von FussbodenTechnik mitteilte, gibt es aber bereits einen alternativen Gastgeber der Euroskills 2023: Die Berufe-EM wird
nächstes Jahr in Polen stattfinden. In welcher Stadt genau die Wettbewerbe ausgetragen werden sollen, müsse aber noch geklärt werden. Polen hätte eigentlich erst 2027 die Euroskills ausrichten sollen.
Uzin Utz spendet 120.000 Euro an Hilfseinrichtungen
Der Krieg und die damit verbundenen Bilder von Leid und Flucht führen in Deutschland aber auch zu einer starken Solidarisierung mit den Ukrainern: So spendete die
Uzin Utz Group 120.000 EUR an humanitäre Einrichtungen und unterstützt damit die Menschen im ukrainischen Kriegsgebiet. „Wir haben uns dafür entschieden, die Spendensumme verschiedenen Einrichtungen zukommen zu lassen, damit die Hilfe möglichst vielen Menschen in Not zugute kommt“, sagte Vorstandsmitglied Philipp Utz. Ein Teil der Gelder fließt an das Deutsche Rote Kreuz, das humanitäre Nothilfe für die Bevölkerung in der Ukraine sowie Menschen auf der Flucht bereitstellt. Die gemeinnützige Organisation „Save the Children“ setzt sich für die Sicherheit von geflüchteten Kindern ein. Dafür hat der Verein fünf Aufnahmezentren im Norden Rumäniens aufgebaut. Ein weiterer Teil der Spendensumme geht an das Gustav-Adolf-Werk mit Sitz in Leipzig. Dieses hilft evangelischen Gemeinden in der Ukraine, dagebliebene Menschen sowie durchziehende Flüchtlinge mit Lebensmitteln zu versorgen. Außerdem unterstützt es konfessionsübergreifend die Gemeinden in Polen, in der Slowakei und in Ungarn bei der Versorgung ankommender Flüchtlinge.
Die Verantwortlichen des deutschen Bauchemieherstellers blicken mit Sorge auf die Lage in der Ukraine: „Der ausgebrochene Krieg in Europa bewegt uns zutiefst und wir werden dort unterstützen, wo Hilfe benötigt wird und Zusammenhalt gefordert ist“, sagte Finanzvorstand Heinz Leibundgut. Der Russland-Ukraine-Krieg werde sicherlich das Osteuropa-Geschäft der Ulmer betreffen, doch das werde auf den Konzernumsatz keinen wesentlichen Einfluss haben, prognostizierte er.
Deutsche Messe nimmt Flüchtlinge in Halle auf
Täglich flüchten Tausende ukrainischer Zivilisten in benachbarte EU-Länder. So kamen beispielsweise Anfang März erste schutzsuchende Ukrainer in Hannover an. Die
Deutsche Messe, Veranstalterin der
Domotex, half den Menschen in dieser Notsituation sofort und unbürokratisch: Sie richtete eine Messehalle als Behelfsunterkunft her. „Es ist uns ein großes Bedürfnis, den aus der Ukraine fliehenden Menschen zu helfen, ihnen in ihrer Not Schutz und Zuflucht zu bieten. Wir bereiten daher in enger Abstimmung mit der Feuerwehr Hannover die Messehalle 27 für zunächst 800 und später für weitere 400 Personen vor“, berichtete der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Messe, Dr. Jochen Köckler.
Weitere deutsche Messegesellschaften schlossen sich angesichts der dramatischen Lage in der Ukraine den Sanktionen gegen Russland und Belarus an: So entschloss sich die
Messe Frankfurt, bis auf Weiteres Aussteller aus diesen beiden Staaten nicht auf ihren Messen zuzulassen. Dies gilt für alle Länder der Messe Frankfurt Gruppe, die sich den Sanktionsmaßnahmen angeschlossen haben. Darüber hinaus stellte die Messe Frankfurt ebenfalls vorerst das Besuchermarketing in Russland und Belarus ein. Zuvor hatte sie entschieden, ihre Veranstaltungen in Russland bis auf Weiteres auszusetzen.
Witte startet Hilfsaktion für Ukrainer
An der Ukraine-Hilfe beteiligt sich auch der Werkzeug- und Maschinenhändler
Witte. Er möchte die Kriegsopfer mit einer Sonderedition des gebrandeten Delphinmessers von Reddig unterstützen. Alle Erlöse aus dem Verkauf des Bodenlegermessers in den urkrainischen Nationalfarben Blau und Gelb werden von Witte an die „Aktion Deutschland hilft“ gespendet. „Mit dem Kauf dieser Sonderedition des Original-Delphinmessers zeigen Sie Ihre Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, die dem furchtbaren Leid ausgesetzt ist, das der russische Angriffskrieg über die Ukraine bringt“, heißt es in einer Pressemitteilung von Witte. Erhältlich ist das Bodenlegermesser über den Witte-Außendienst vor Ort oder im Internet unter:
www.witte-beckum.de/news.
Bostik spendet 7,5 Tonnen Hilfsgüter für Kriegsopfer
Für Sabrina Rottmann, Managerin für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt beim Verlegewerkstoffhersteller Bostik, begann alles mit einer Palette von FFP2-Masken, die Flüchtlinge aus der Ukraine erhalten sollten. Daraus geworden ist schließlich ein ganzer Lastwagen mit Spenden für Geflüchtete aus der Ukraine. Die 35 Paletten und rund 7,5 Tonnen Hilfsgüter wurden nach Rybnik, nahe der polnischen Stadt Kattowitz, gebracht, weil in Polen viele Flüchtlinge ankommen. Innerhalb kürzester Zeit sorgten die Kontakte zur Berufsfeuerwehr Gütersloh und zu einem Kindergarten für eine enorme Spendenbereitschaft.
GHF: Holzwerkstoffe von Sanktionen massiv betroffen
Während deutschlandweit solche Solidarisierungs-Aktionen und Demonstrationen für den Frieden stattfinden, verschärft der Krieg die seit der Corona-Pandemie eh schon stark angespannte Versorgungssituation mit Baumaterialien weiter. Wie der
Bundesverband Großhandel Heim & Farbe (GHF) dazu mitteilte, seien Holzwerkstoffe von den verhängten Sanktionen massiv betroffen. Dazu gehört auch Parkett: Die Produktionsstätten sowie der Rohstoff befinden sich zu einem großen Teil in Russland, der Ukraine und in Belarus.
Die Parketthersteller haben nach GHF-Angaben bereits Preisvereinbarungen aufgekündigt und Lieferungen storniert. Unklar sei demnach, wie es in den kommenden Wochen weitergehe und ob es Ersatzrohstoffe in ausreichender Menge geben werde. Preiserhöhungen von bis zu 100 % seien nicht ausgeschlossen, sofern Ware überhaupt geliefert werden könne. Die Lager der Händler seien gut gefüllt, sodass eine Verfügbarkeit von drei bis vier Wochen gewährleistet werden könne, berichtete der GHF.
Holz aus Russland und Belarus jetzt „Konfliktholz“
Sämtliches Holz aus Russland und Belarus gilt zudem ab sofort als „Konfliktholz“. Es kann daher nicht mehr für
PEFC-zertifizierte Produkte verwendet werden. Das stellte der PEFC-Vorstand in einer außerordentlichen Sitzung am 4. März klar, um die Integrität seiner Produktketten-Zertifizierung zu gewährleisten. Die Entscheidung gilt zunächst für sechs Monate. PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) ist die größte Institution zur Sicherstellung und Vermarktung nachhaltiger Waldbewirtschaftung durch ein unabhängiges Zertifizierungssystem.
Der Europäische Verband der holzverarbeitenden Industrie (CEI-Bois) und die Europäische Organisation der Sägewerksindustrie (EOS) warnen vor einem „Schock in der Wertschöpfungskette für Holzprodukte“ infolge des Ukraine-Krieges. „Die europäische Holzindustrie beobachtet mit großer Sorge die Invasion Russlands in der Ukraine und die damit verbundenen wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. „Das Handelsverbot wird schwerwiegende Folgen für die Versorgung des europäischen Marktes haben.“ Offiziellen Statistiken zufolge stammten im Jahr 2021 etwas weniger als 10 % des in Europa verbrauchten Nadelschnittholzes aus Russland, Belarus oder der Ukraine. Im Laubholzbereich hat ukrainische Eiche einen erheblichen Anteil – dort seien Engpässe zu erwarten. Das gelte ebenso für Schnittholz und Birkensperrholz, die im Bau verwendet werden, sowie für Holzpaletten, auf denen verschiedene Güter transportiert werden.
Obi und Ikea stellen Russlandgeschäfte ein
Exemplarisch für die Auswirkungen auf den DIY-Bereich stellte die
Obi-Gruppe ihre Russlandgeschäfte ein. Die Tengelmann-Tochter betreibt in Russland 27 Märkte mit rund 4.900 Mitarbeitern. Man sei „tief besorgt über die tragischen Entwicklungen und Folgen des Krieges“, teilte der deutsche Baumarkt-Primus mit. Gemessen an der Gesamt-Belegschaft macht Russland etwa ein Zehntel aus: Obi hat rund 48.000 Beschäftigte und 670 Märkte in elf Ländern – Schwerpunkt ist Deutschland. Zuvor hatten sich bereits andere Handelskonzerne bis auf Weiteres aus Russland zurückgezogen, darunter der schwedische Möbelhändler Ikea.
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